Vor dem Bezirksgericht Wiener Neustadt ist ein Schadenersatzprozess wegen Körperverletzung gegen drei beklagte Parteien anhängig. Es herrscht absoluter Anwaltszwang, weil der Streitwert mehr als € 5.000,00 beträgt.

Der dort Drittbeklagte ist zur ersten Tagsatzung (vorbereitende Tagsatzung) nicht erschienen. Dies hatte die Fällung eines Versäumungsurteils zur Konsequenz. Wer zur ersten Tagsatzung nicht erscheint – ungeachtet, ob Anwaltszwang besteht oder nicht – und sich damit im bezirksgerichtlichen Verfahren nicht in den Streit einlässt, ist säumig.

In gewissen Konstellationen sieht die Zivilprozessordnung die (einmalige) Möglichkeit des Widerspruchs gegen ein Versäumungsurteil vor. Der Drittbeklagte ergriff diese Möglichkeit. Der Drittbeklagte wurde seitens des Gerichts mehrmals rechtsbelehrt, dass er bei der nächsten Tagsatzung mit Anwalt erscheinen müsse (absoluter Anwaltszwang).

Der Drittbeklaget ist zwar zur nächsten Tagsatzung erschienen. Jedoch ohne Anwalt.

Da bei absolutem Anwaltszwang auch die erschienene Partei als abwesend gilt, wenn kein Anwalt für sie einschreitet, war der Drittbeklagte wiederum säumig. Es wurde ein Versäumungsurteil beantragt.

Nunmehr das Kuriose: Nach Beantragung des Versäumungsurteils übernahm der Rechtsvertreter des Zweitbeklagten überraschenderweise die Vollmacht des Drittbeklagten mit dem Kalkül die Säumnis des Drittbeklagten zu sanieren. Mit Erfolg. Zumindest in erster Instanz. Das Bezirksgericht Wiener Neustadt wies den Antrag auf Fällung des Versäumungsurteil mit Beschluss ab, da es nunmehr nach erfolgter Vollmachtsübernahme – der Drittbeklagte hatte ja plötzlich einen Anwalt – hierfür keinen Anlass mehr sah.

Das Landesgericht Wr. Neustadt gab dem Rechtsmittel (Rekurs) gegen den abweisenden Beschluss des Bezirksgerichts Wr. Neustadt Folge und leitete aus dem Gesetz zweifelsfrei ab, dass bei festgestellter Säumnis des Drittbeklagten ein Versäumungsurteil gefällt werden hätte müssen. Eine Sanierungsmöglichkeit der bereits eingetretenen Säumnis durch nachträgliche Bevollmächtigung sieht das Gesetz nicht vor. Dies ist auch dann der Fall, wenn diese Bevollmächtigung am Beginn der Verhandlung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Antragstellung auf Erlass eines Versäumungsurteils gestanden ist.

Überraschenderwiese ließ das Landesgericht Wr. Neustadt jedoch den ordentlichen Revisionsrekurs (Rechtsmittel) an den Obersten Gerichtshof zu, da zu dieser Rechtsthematik oberste Rechtsprechung fehle.

Der Oberste Gerichtshof wird nun darüber zu entscheiden haben, ob eine bereits eingetretene Säumnis aufgrund Erscheinens ohne Anwalt bei Anwaltszwang durch eine Bevollmächtigung eines Anwalts in derselben Tagsatzung nach Beantragung eines Versäumungsurteils saniert werden kann.

Meine Position dazu ist ganz klar: Dies darf nicht der Fall sein. Ungeachtet der meines Erachtens klaren Gesetzeslage wäre eine derartige Sanierungsmöglichkeit mit erheblicher Rechtsunsicherheit behaftet. Zudem würden derartige Sanierungsmöglichkeiten zu Konstellationen motivieren, die den reibungslosen Ablauf des Gerichtsbetriebes stören würden. Könnte doch dann eine Partei im Gerichtsgebäude spontan Ausschau nach einem Anwalt halten, um sich nur kurzfristig die Säumnis sanieren zu lassen und sogleich die Vollmacht wieder aufzulösen. Dies kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.

Praxishinweis: Nehmen Sie Fristen und Rechtsbelehrungen des Gerichtes ernst. Das Nichtbefolgen von Ladungen oder das Erscheinen bei Verhandlungen mit absolutem Anwaltszwang ohne Anwalt bewirkt Säumnisfolgen. Haben Sie eine Frist oder eine Verhandlung versäumt, reagieren Sie unverzüglich. Der Gesetzgeber sieht Möglichkeiten vor, eine eingetretene Säumnis aufzuheben und gegebenenfalls Prozesshandlungen nachzuholen. Dies jedoch nur in eingeschränkten, gesetzlich normierten Fällen. Handeln Sie unverzüglich. Ihr Rechtsanwalt wird Ihnen dabei behilflich sein.